es gibt menschen, die wohnen einfach. es gibt menschen, die zwischen wohnen und leben unterscheiden. und es gab einst ein 3maederlhaus, kurz 3mh, umdasseshiereinfachmalgeht.
ich weiss nicht mehr genau, wann ich das 3mh zuallererst betrat, ich weiss aber noch, dass es fuer mich bis dahin unerlebte eindruecke bot. das 3mh war eine wohngemeinschaft, aber trifft es das auch nur annaehernd? vielmehr war es eine lebensgemeinschaft, wenn man diese unterscheidung fortfuehren will.
urspruengliche bewohnerinnen waren frau K, frau S1, und frau S2. ich muss die 3m wohl auf einem jener verheerenden pfadfinderfeste kennengelernt haben, welchen ich erstmals wohl vor ueber 10 jahren beiwohnte. diese feste im keller eines wiener pfarrhauses sind eine geschichte fuer sich. ob der pfarrer weiss, dass drunt des naechtens ab und an derlei lasterhaftes betrieben wird, und das meist mit freiem willen, wissentlich und durchaus schwerwiegend, sei dahingestellt. oftmals dabei, in verschiedentlicher staerke und auspraegung, vielleicht nicht immer gleichzeitig, aber zumindest nebeneinander, in loser aufzaehlung ohne anspruch auf vollstaendigkeit die freundlichen bekannten: Superbia; Invidia, eine prise Luxuria, gern aber auch Gula, und immer ein wenig Acedia.
doch zurueck zur 3mlg. die zentrale einrichtung und beinhaltung der 3mlg war nachvollziehbarerweise eine wohnung. verkehrsmaessig gut erreichbar lag sie anfangs im wiener lerchenfeld, einer altbauwohnung, selbstverstaendlich ohne lift, im (gefuehlten) dritten stock gelegen. mindestens.
zwei zimmer zur strasse, die fuer die grossstadttypische geraeuschkulisse sorgte, und damit vor allem im sommer bei geoeffnetem fenster zu sinneseindruecken fuehrte, als ob die strassenbahn neuerdings ihre fahrgaeste schreiend aus ihren privatwohnungen, jawassagich: aus ihren betten abholt, anstelle einfach bei den haltestellen auf sie zu warten.
die kueche und ein weiteres zimmer in den lichthof mit altem baum. dazwischen ein gang, und irgendwo wohl auch etwas badaehnliches, an das ich mich nicht mehr erinnern kann.
mehrfach wurde mir versichert, dass die wohnung _vor_ ihrer nutzbarmachung ein bild voelliger verwuestung war, wo putz broeckelte und unzaehlige lagen uebereinandergeklebter fussbodenbelaege entfernt werden musste, um das noch recht gut erhaltene fischgraetparkett sichtbar zu machen.
ganz habe ich das aber nie geglaubt, denn das vorherrschende bild war ein prototypisches klischee von chaos. gaebe es photographen, die einzig fuer abbildungen von chaos die welt bereisten, sie haetten allesamt in der 3mlg haltgemacht und waeren in hinkunft arbeitslos, denn ein besseres bild haetten sie nie wieder schiessen koennen.
wunderbares, die phantasie anregendes, inspirierendes chaos, jedes nutzlos erscheinende kleinteil, jedes bild, jeder stapel buecher ein ausgangspunkt meandernder ideen, freundlicher gedanken. millionen, billionen, bazillionen von schuhen im gang, einige auch praktisch in paaren. eine waschmaschine, die mittels einer waghalsigen konstruktion aus platzgruenden halb ueber einem kuehlschrank und einem waschbecken angebracht war … leider habe ich niemals persoenlich einen vollstaendigen schleudergang erlebt.
am kuechenfenster ein bisweilen gepflegter stock basilikum, darunter eine holzbank, die belegt mit fleckenteppich und allerlei gepoelster inbegriff des kuechenhockens wurde. nicht immer bequem, aber immer irgendwie nett. kaffee aus dem brodelnden, schimpfenden und spuckenden italienischen aluklassiker, vom gasofen aus einem der vergangenen jahrhunderte – und ich glaube nicht, dass es das letzte war.
erinnerungen an bewegende begegnungen mit herzzergebrochenen exfreunden, traenen bei videoabenden, und jazzkrisen. wackelige hochbetten, beschallungsuneinigkeiten, ohne blechhaut betriebene, teils ausgeweidete computer, die staendig vor platzmangel aechtzen, ein leider voellig mit dahinsiechenden zimmerpflanzen verbarrikadierter erker zur strasse hin, dazu bananenkistencouchtische, in summe wuschelige waerme, nettes nestgefuehl, aber charmant, damit das mal klar ist.
ein biotop das aus meiner sicht viel zu frueh geraeumt werden musste, eine damals untrennbar mit den bewohnerinnen verbundene lebensoase in der wueste der stadt. ja ok, bin ich eben ein romantisierendes kind des suburbs, was kann ich dafuer.
als letzter eindruck blieb der mit einer vielzahl an freunden und verwandten organisierte aus- und umzug, eine erschoepfte, melancholische jause am leergeraeumten parkettboden danach.
die wohnung 2.0 versprach optisch einiges, war geraeumig, mit einer genialen grosskueche und anderen vorzuegen ausgestattet, und bot doch nicht mehr das gleiche, und schon gar nicht mehr als die alte. war zwar wieder altbau, edel, schoen und gut, im nachbarbezirk liegend, aber diesmal im erdgeschoss, und war vor allem eines: eher kuehl im sommer. gut, sagen wir es ehrlich: zu jeder zeit ausser dem hochsommer war sie ausgesprochen dunkel und unaushaltbar kalt.
nachdem ein durchschnittliches jahr aber aus gar nicht wenigen kalten monaten besteht, waren die bewohnerinnen demzufolge fast ausschliesslich in anoraks oder gehuellt in mehrschichtige lagen aus decken anzutreffen.
das groesste zimmer, das aufgrund nicht ausreichender bis vollkommen geistlos angeordneter heizkreislaeufe das einzig halbwegs belebbare war, wurde – obwohl intentional frau S1 zugedacht – von den beiden anderen kurzerhand zu einer art gemeinschafts- wohnzimmer erklaert. die eigenen zimmer wurden demnach fast ausschliesslich zum schlafen genutzt – und das widerwillig.
wie es gut und schoen ist, und wuerdig und recht, studierten die frauens nicht allesamt dasselbe, und strebten in unterschiedliche richtungen. die erosion der lebensgemeinschaft hatte begonnen.
erosion ist insofern etwas schoenes, als nur wenn irgendwo was erodiert anderswo fruchtbares sediment angeschwemmt werden kann, um dem jetzt etwas positives abzuringen. wahr ist aber auch, dass ich die schrittweise aufloesung der 3mhlg eher schwarzmalerisch und negativ sah. unerhoerterweise wollten die frauen nicht allein wegen meinem romantisiertem bild diese konstellation aufrechterhalten.
medizin, paedagogik, eventmanagement. kurz zusammengefasst, und recht verkuerzt dargestellt. auf jeweils eine der frauen zutreffend. dazu auslandsaufenthalte, geographisch trennende herzensangelegenheiten.
die wohnung nummer drei war faktisch im gemeindebau gelegen, und offiziell nur mehr von frau S1 und frau S2 bewohnt. also ganz offiziell war da eher gar nix, aber das ist eine andere geschichte. so sehr es vielleicht sympathisch waere, es hier zu tun: viel positives kann ich ihr nicht abgewinnen. den balkon vielleicht. auf dem konnte man trefflich sitzen, und in die nicht vorhandene weite blicken. eine bad-zu-kuechen-transformation, mit meiner empfindung nach geringem erfolg und nutzen. gut ja, sie war beheizbar und bezahlbar.
es war nicht besonders schade, die wohnung nach recht kurzer zeit raeumen zu muessen, aber etwas ueberraschend kam es doch. das zutiefst prekaere mietverhaeltnis wurde aufgeloest, die ueberuntervermieterin hatte ploetzlich anderes vor.
ebenso wahrhaftiger- wie unglaublicherweise zog frau S1 daraufhin nach laxengrad, an die peripherie. eine urspruenglich aus der not geborene, nicht unbedingt bloede idee zu beiderseitigem nutzen. laxengrad ist nicht wien, und demnach muss mensch ab und an von hier nach dort. schnell stellte sich dabei heraus, dass laxengrad ohne auto gar nicht geht. beziehungsweise: man selbst dann umso mehr. zum bus naemlich. und zum einkaufen. eigentlich ueberallhin. muehsam. eine stadtpomeranze am fast-land, das konnte nicht lange gut gehen. frau S1 bewohnte waehrend ihrer laxengrader zeit mehr die wohnung ihres herrn vaters (in wien) als ihre eigene, in laxengrad. macht aber nix, sie liess ihre meersau zurueck, ein unheimlich intelligentes und interessantes getier – eigentlich urspruenglich aus frau S2s besitz.
soweit ich die ablaeufe korrekt unterm haupthaar behalten hab teilten sich frau S2 und frau K einige zeit die wohnung frau Ks im ‘fuenften, die die laengste zeit von frau Ks schwester, frau M bewohnt war, weil frau K lieber mit frau S1 und S2 wohnen wollte. kann auch gut sein, das frau Ms damaliger lebensgefaehrte dort weilte. aber ob hier von gleichzeitigkeit zu reden sein kann weiss ich wirklich nicht mehr. kompliziert, aber wenn Sie da zwei, dreimal drueberlesen, dann verstehen Sie das schon.
frau K wiederum wohnte einige monate gut gelegen, und gar nicht wenig boboesque auch im ‘fuenften, aber in filmcasinonaehe. doch G, mit welcher sie teilwohnen wollte sprang ab, und uebrig blieben die gar nicht wenig hohen kosten, die dem ansinnen diametral und fundamental zuwiderliefen.
so verschoben sich die mini-wgs, aber eine ‘echte’, wahre und einzigartige 3mhwg wurde es nicht mehr.
die sache findet ihren endgueltigen schlussstrich in der tatsache, dass frau S1 nun nach langen jahren ihre erste, eigene, alleinige waschechte wohnung bezog. richtig echt mit boden und decke, mit bad und kueche, mit heizbarkeit und allerlei einrichtungen des taeglichen luxus und gebrauchs.
frau S2, die gute, kehrt ihrerseits diesem lande hier mal sowieso fuer laengere zeit den ruecken zu, und zieht gegen germanistan. frau S2 ist glaub ich schuld an David Gray. ja, das ist so. dafuer, dass ihn frau S2 einst im lerchenfeld durch die boxen jagen konnte hat er naemlich ueberhaupt begonnen zu singen und spielen! besonders gut finde ich, dass sie damals nicht vermoegensberaterin mit pyramidenspielambitionen geworden ist, sondern frau doktor, und grade eben geburtstag hatte. und das, ja das ist ein grund zur gratulation, denn gute frau doktors gibts viel zu wenig, und 30 wird mensch nur ganz wenig oft.
so wohnt inzwischen jede fuer sich, und die 3mhwg ist geschichte. doch geschichte ist nur so gut wie man sie faelscht, und die wahre 3mhwg lebt sowieso dort weiter wo sie vermutlich groesstenteils war und hingehoert – in meinem kopf.