in $heimatgemeinde gibt es einen beschra(e)nkten bahnuebergang.
dort fahren statistisch gesehen pro tag zwei personenzuege und ein gueterzug vorbei, wobei die personenzuege mit jeweils rund anderthalb reisenden besetzt sind, was man jedesmal staunend beobachten kann. ueber den inhalt der gueterzuege traue ich mich mangels durchblickmoeglichkeit keine aussage zu machen. sicher beinhalten sie aber teure und gueldene gueter, wertvolle waren die in erheblichen mengen irgendwo dringendstens benoetigt werden, vielleicht frische aschantinuesse oder haekelnadeln aus messingimitat, sowie buendel feinster llamawolle. die sind es dann naemlich, die rechtfertigen, dass diese lokalbahn, ach, nennen wir sie ruhig beim namen: aspangbahn! nicht schon laengst eingestellt wurde.
will ein zug nun an drei moeglichen terminen pro tag die hauptstrasse kreuzen – so verlangt es das brauchtum – wird ein schrankensystem bemueht, dass sich gemaechlich ueber ketten angetrieben und leise bimmelnd laaaangsam senkt, um die strasse zu sperren, und nach erfolgter zugdurchfuhr laaangsam wieder hebt, nicht minder bimmelnd.
sieht man im herannahen die schranken sich senken, so steigt man deshalb als durchaus wohlmeinender, aber seiner restlebenszeit nicht grundsaetzlich feindlich gesonnener kraftfahrer mit aller gewalt ins gas, und laesst das dieselchen aufroehren, um strassenverordnungsverachtend und todesmutig noch schnell den uebergang ueberwinden. einzig und allein um sich die enorme wartezeit zu ersparen, und nicht gehirnwindungsglattbuegelungs-lange dabei zuzusehen, wie erst mal, begleitet von hypnotischem rotlicht-geblinke: nichts passiert. dann kurz relativ wenig passiert: ein zueglein schnauft vorbei. blink blink. dann wieder: nichts passiert, und schliesslich – mit allem gebotenen respekt fuer die rostige mechanik – der weg wuerdevoll und gemaechlich endlich wieder freigegeben wird.
schafft man es nicht mehr unten durch, dann steht man eben. herrgott denkt man, dreimal am tag bloss, das ist statistisch gesehen … aeh … nun aber wirklich recht wenig, aber natuerlich ich. und jetzt. kommt gerade von einer zehnstuendigen nachtschicht nachhause, blinzelt in die heisseste sonne des jahres, und zaehlt grashalme am strassenrand. genau wie etwa 199 andere, die brav aufgefaedelt hintereinander stehen, in die gegenrichtung, teils erheblich koffeiniert, sie wolln ja dorthin wo ich her bin, naemlich in die arbeit.
man sitzt und dampft, verflucht das dieselchen, verflucht die bahn, verflucht die geleise, den erdboden auf dem sie liegen, den dampf, die kohle, das eisen und die industrielle revolution im allgemeinen. laesst sein leben revue passieren, schwoert stein und bein, bestimmt heute noch einen baum zu pflanzen, ein kind zu gebaeren und fuerderhin sorgfaeltig den muell zu trennen, wenn man nur einmal noch diese hoelle der lethargie diese woerterbucherwaehnung von ‘stillstand’, diese folter der langeweile ueberleben duerfte.
doch heute kam abweichung in die ablaeufe.
heute morgen dauerte die zeit nach dem zug ploetzlich laenger als die zeit vor dem zug. will heissen: der schranken sank hernieder, der zug kam, der zug war durch.
Sie bemerken die punktuation? der schranken hob sich nicht! ja, denkt man nach drei minuten, der zug war schon da, oder. ja doch. jetzt muss aber gleich. nach sieben minuten ist man sich auch noch recht sicher. nach neun minuten weiss man nicht mehr so genau, glaubt aber eventuell noch an einen zufaellig vorbeikommenden gegenzug. nach 15 minuten beginnen die ersten umzudrehen, anderswo ihr glueck zu suchen. andere beschliessen ihre postanschrift zu aendern, montieren briefkaesten an ihre autos, maehen den rasen am strassenrand, und stellen sich darauf ein ab heute hier am bahnschranken zu wohnen.
nach 20 minuten ist saemtlicher lebenswille aus den inzwischen in beide richtungen weithin stauenden gewichen, sie wollen nur mehr begraben sein, lieber tot und vorbei, als laenger hier warten.
auf einer seite der geleise fuehrt ein weg zum minimalbahnhof, wo auch die technik beheimatet ist, die fuer die steuerung der schranken zustaendig ist. daran erinnerte ich mich ploetzlich. als ich die kolonne verlasse und ueber die gegenfahrbahn dorthin aufbreche, wissen 199 noch nicht, wohin ich will, glauben vielleicht mehrheitlich, ich wuesste eine abkuerzung aus dem schlamassel. doch im minimalbahnhof ist nicht nur technik. der $bahnmensch am bahnhof hat einen roten kopf, als ich ihn muede anblicke. als er mich sieht ahnt er die wahrheit, es steht ihm ins gesicht geschrieben. “… is leicht no zua?” fragt er. ich nicke. “sch… hob i total vagessn …” ich winke ab und gehe zum auto zurueck.
grade eben sind zweihundert menschen um zwanzig minuten gealtert – aber vielleicht konnten wir ihnen weitere zwanzig ersparen.